VfB-Spieler im DFB-Kader: Undav und Nübel fremdeln mit dem Schwäbischen (2024)

Viele Wege führen nicht nur nach Rom, sondern auch ins Quartier der deutschen Nationalmannschaft in Blankenhain. Ein wenig abseits der Kleinstadt liegt, umgeben von viel Grün mit einem großen Golfplatz von 45 Bahnen, das Camp des ersten Männer-Teams des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Doch wer diese Wege passieren will, braucht den richtigen Schein oder das richtige Logo auf dem Auto. Ohne geht es nicht. Fast überall im weitläufigen Areal stehen Sicherheitsleute, um alles zu kontrollieren.

Wer die Wege zum Trainingsplatz geschafft hat, den empfängt eine idyllische Lage. Eineinhalb Felder, eines mit normaler Größe eines Fußballplatzes und eines mit halber speziell für Torhüter, bieten beste Bedingungen. Der Rasen gleicht einem grünen Teppich. Die Engländer, die hier nach der DFB-Elf für das Turnier trainieren, freuen sich besonders auf die Rasenmischung, die auch in Wembley für ein dichtes Grün sorgt. Eine kleine Tribüne, eine Videowand und ein Fitnesszelt gehören ebenfalls dazu.

In einiger Entfernung im Süden des Platzes liegt das Luxushotel, in dem die deutsche Mannschaft bis Freitag wohnt. Alle Besucher des Trainingsplatzes – dieser Tage sind 220 akkreditierte Journalisten vor Ort – kommen der Herberge bei der Fahrt vom Gelände ganz nahe, doch die meisten Bereiche sind dem DFB-Tross vorenthalten, der das Hotel derzeit exklusiv bewohnt. Für Einblicke bleiben Videos aus dem Kreis der Nationalmannschaft wie von Deniz Undav, der mit einer Kamera umherläuft.

Er schießt ein Eigentor am Tischkicker und schreibt es seinem Stuttgarter Kollegen Waldemar Anton zu. Und er verfolgt VfB-Torwart Alexander Nübel und bemängelt dessen Frisur. Die Laune ist gut. Im Video kann Nübel dem neckenden Undav davonlaufen, am Mittwoch jedoch saßen beide nebeneinander – ein paar Kilometer weiter in Schloss Blankenhain –, um über die Nationalmannschaft und die nahende EM zu sprechen, aber auch über die traumhafte Stuttgarter Saison und ihren Aufstieg ins DFB-Team.

Der 27 Jahre alte Stürmer aus Achim und der gleichaltrige Torwart aus Paderborn hatten ihren Anteil am Höhenflug des VfB bis in die Champions League. Nübel wird auch kommende Saison in Stuttgart spielen. Zwei weitere Spielzeiten wurde er vom FC Bayern, wo er seinen Vertrag gar bis ins Jahr 2029 verlängerte, ausgeliehen. „Das ist eine super Sache für mich. Wir haben dieses Jahr eine überragende Saison gespielt. Ich hoffe, dass wir alle so zusammenbleiben. Ich freue mich auf das nächste Jahr.“

Seine mittelfristige Zukunft ist geklärt, die langfristige hängt an Manuel Neuer: „Solange er bei Bayern ist, macht es wenig Sinn zurückzukommen.“ Zeitdruck verspürt er nicht. „Als Torwart spielt das Alter nicht so eine große Rolle, da kann man noch sehr, sehr lange spielen.“ Vom angeblich schwierigen Verhältnis zum 38 Jahre alten Platzhirsch Neuer will er nichts wissen. „Es wird viel geschrieben, was nicht stimmt. Was er geleistet hat für Deutschland, ist unfassbar. Unser Verhältnis ist gut“, sagte er.

Ob Undav auch nach der EM noch das Trikot mit dem roten Brustring trägt, ist unklar. Sein Vertrag bei Brighton & Hove Albion läuft noch bis Mitte 2026. Für die vergangene Saison war er ausgeliehen. Sein Wunsch ist klar formuliert: „Ich habe meine Position klargemacht und hoffe, dass ich dableiben kann, die Gespräche laufen“, sagte er am Mittwoch. Jedenfalls sprach er offen über die Zukunft in Stuttgart: „Ich hoffe, dass die anderen auch bleiben und wir eine starke nächste Saison spielen können.“

Mit dem schwäbischen Dialekt indes fremdeln sowohl Undav, der aus der Nähe von Bremen stammt, als auch der gebürtige Ostwestfale Nübel aus Paderborn weiterhin. „Ich verstehe nicht alles“, bekannte der Torwart. Undav schloss sich an: „Diese Sprache verstehe ich nicht, will ich auch nicht verstehen. Für Leute, die außerhalb von Baden-Württemberg leben, ist die Sprache sehr, sehr schwer.“ Sein unmissverständliches Fazit: „Das ist kein Deutsch.“ Sagte es – und lachte.

Viel zu lachen hat er auch mit Thomas Müller, vor allemweil der VfB vor Bayern in der Bundesligalandete. „Thomas kann nichts gegen mich sagen. Wir haben mit dem VfB die bessere Saison gespielt. Bis Ende der nächsten Saison muss er leise bleiben – und sich meine Witze anhören.“ Daraus, dass Müller den Deutschlehrer gibt und jüngeren Spielern einen bestimmten Artikel in die Sätze diktiert, macht sich Undav einen Spaß: „Ich mach es dann extra. Ich muss ja ein bisschen den Clown spielen.“

Während Undav schon im März für Deutschland spielte, ist es für Nübel eine unerwartete Premiere im Kreis der Nationalmannschaft, aber mit vielen bekannten Gesichtern. „Die Stuttgarter Jungs sind gut vertreten“, sagte Nübel über die fünf VfB-Spieler im Kader, zu denen neben Undav auch Maxi Mittelstädt, Chris Führich und Waldemar Anton gehören. „Achtzig Prozent der Jungs hier kenne ich schon. Ich fühle mich wohl, hatte einen guten Einstand, wir haben gutes Training, haben Spaß.“

Vor einigen Monaten besuchte Torwarttrainer Andreas Kronenberg Nübel in Stuttgart. Vor gut einer Woche kam der Anruf, dass Nübel auf Abruf im DFB-EM-Kader sei, schon einen Tag später wurde ihm gesagt, „dass ich dabei bin. Das kam alles relativ überraschend für mich, weil ich damit eigentlich nicht gerechnet habe“. Auf den geplanten Sommerurlaub in Tansania verzichte er „sehr gerne“. Nun hoffe er, die Freude, die die Stuttgarter in dieser Saison hatten, ins EM-Team mitbringen zu können.